Vortrag zur Kuscheltherapie
Beim Arbeitskreis „Behinderung und Sexualität“ am 02.12.2019, der in den Räumen der Pro Familia in Berlin tagte, durfte ich meine Arbeit als Kuschler vorstellen. Hier ein Auszug daraus:
Berührung ist für den Menschen so essenziell wie Nahrung oder die Luft zum Atmen. Es gibt dabei zwei Grundbedürfnisse:
1. nach sexuellem Kontakt
2. nach bedingungsloser, absichtsloser Berührung.
Allerdings sind mittlerweile 50% der Haushalte in Deutschland Singlehaushalte – Tendenz steigend. Und die damit einhergehende Vereinsamung in unserer Gesellschaft schreitet voran. Großbritannien hat sogar ein Ministerium für Einsamkeit.
Vielen Menschen fällt es heutzutage schwer, auf konventionelle Art, einen passenden Partner für das Bedürfnis nach platonischem Körperkontakt zu finden. Genau für diese Menschen bieten wir als spezifisch ausgebildete, professionelle Kuschler eine qualifizierte Lösung an.
Welche Folgen hat Berührungsmangel?
„Unterkuschelt“ zu sein kann zu Depressionen führen, Stress, hohem Blutdruck, Neurosen, sozialen Phobien, Immunsystemschwäche, Sucht (Alkohol, Nikotin etc.), Burnout, Agressivität, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, Einsamkeit, gesteigerten Sexualtrieb, Versiegen der emotionalen Kräfte, Losgelöstheit vom eigenen Körper und seinen Mitmenschen, bis hin zum Tod. Man ist weniger empathisch, weniger sozial, manche Menschen werden krank, um von Ärzten berührt und wahrgenommen zu werden. Oder gehen öfter als eigentlich nötig zum Friseur, um dort beim Waschen der Haare berührt zu werden.
Berührungsmangel kann nur durch Berührung geheilt werden, nicht etwa durch Psychotherapie oder Sonstiges. Dazu braucht es einfach die Erfahrung am eigenen Leib.
Besonders effektiv ist dafür absichtsloses Kuscheln, also Kuscheln um des Kuschelns willen. Wie beim privaten Kuscheln findet auch die Kuscheltherapie auf Augenhöhe statt, d.h. der Kunde bzw. Kuschelpartner kann passiv bleiben und sich „bekuscheln“ lassen oder jederzeit aktiv „zurückkuscheln“.
Er kann sich wieder selbst spüren, sich öffnen, fallen lassen, seine Grenzen und Wünsche wahrnehmen und diese frei kommunzieren (üben). Dazu wird er explizit eingeladen.
Absichtslos heißt: es gibt kein Ziel zu erreichen, Kuscheln dient hier nicht als Vorspiel für Sex. Wir schenken liebevolle Berührungen und platonische Zuwendung. Kuscheltherapie ist also frei von Verführungsabsichten, Erwartungshaltungen und Leistungsdruck.
Das ermöglicht es den Kund*innen, sich tief zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Man fühlt sich so angenommen wie man ist und bedingungslos geliebt. Das wird auch in den Rückmeldungen regelmäßig so beschrieben.
Was genau passiert dabei im Körper?
Absichtslose Berührung, z.B. in Form von Kuscheltherapie, sorgt für die Ausschüttung des Glückshormons Oxytocin. Oxytocin wiederum regt die Selbstheilungskräfte an, da die Zell-Regeneration gefördert wird und gleichzeitig die Stresshormone im Körper gesenkt werden.
Es wirkt:
_entspannend, beruhigend und angstlösend
_lindert Schmerzen, steigert die Widerstandsfähigkeit und Empathiefähigkeit
_erzeugt ein Gefühl der Sicherheit, Verbundenheit und des Vertrauens
_verstärkt Selbstvertrauen, Beziehungsbereitschaft
_hilft auch im Zusammenhang mit Depression, Angststörung und Autismus
Ich habe einen jungen, autistischen Stammkunden, der ca. 2x im Monat zu mir kommt. Es ist sehr schön zu sehen, wie er sich von Session zu Session immer mehr für Berührungen und Körpernähe öffnet. Auch die Mutter ist begeistert und berichtet, wie entspannt und beseelt er danach immer ist und wie er sich immer schon auf den nächsten Termin freut.
Wie läuft eine Kuscheltherapie-Session ab?
In einem obligatorischen Vorgespräch werden zunächst die Motivation, individuellen Wünsche und Grenzen geklärt. Es wird eine Vereinbarung unterschrieben, in der die Regeln des therapeutischen Kuschelns erklärt werden, und dann kann es losgehen, in der Art und Weise wie vom Kunden gewünscht.
Das kann beinhalten:
_(Händchen-)Halten
_gegenseitiges Streicheln
_Umarmungen, Löffelchenstellung
_diverse Kuschelpositionen (neben-, hinter- und aufeinander)
_und auch kurze Massagesequenzen
Zu den Regeln gehört, dass die Unterwäschezonen Tabuzonen sind, also nicht berührt werden, und immer bekleidet gekuschelt wird. Die Hände dürfen dabei nie unter die Kleidung gehen.
Als Kuscheltherapeut bin ich u.a. dafür ausgebildet und sensibilisiert:
_empathisch zuzuhören (d.h. mit wertschätzender, respektvoller Haltung und voller Aufmerksamkeit, frei von Bewertungen, Lösungs- oder therapeuthischen Ansätzen)
_Körpersprache richtig zu deuten
_mit Traumata umzugehen
_mit diversen Berührungsqualitäten möglichst viele Hautrezeptoren zu aktivieren, die verschiedenartige Glückshormone produzieren
_unterschiedlichste Kuschelpositionen vorzuschlagen
Meine Kuscheldienste biete ich hauptsächlich in Berlin und Frankfurt am Main an – von zu Hause, als Haus-, Hotel- und Heimbesuch. Auf Wunsch auch gerne an jedem anderen Ort im deutsprachigen Raum. Bei Bedarf organisiere ich gerne barrierefreie Räumlichkeiten.
Man kann mich für Einzelkuscheln buchen, sowie als Kuschlerduo und -trio mit verschiedenen Kolleginnen aus meinem Netzwerk in Berlin, Frankfurt, Darmstadt, demnächst auch München.